Ich kann ein ganz schönes Arschloch sein. Und ganz schön abwesend. Vor allem aber kann ich asozial sein. Weil so eine beschissene Depression zwar nur mich beeinflusst, meine Unsicherheit aber ganz schön viele Menschen um mich herum betrifft. Die Depression lässt mich unsicher sein unter Menschen. Und daher wie ein Arschloch wirken. Das eigentlich nur dazugehören will, es aber nicht schafft.

Früher dachte ich immer, man müsse sich unter Menschen wohl fühlen. Gut, ich fand mehr als eine Handvoll Menschen auf einem Haufen immer schon ganz schön grausam, aber – machste nix. Muss ja. Gehört ja dazu. Zum Thema Alkohol habe ich früher bereits was gesagt – greift auch hier. Man kann sich auch selbst zu einem vermeintlich besseren Menschen saufen, der dann auch kein Problem mit Partys hat.

Da ich aber nun aufgehört habe, zu trinken – muss ich anders mit Menschen klar kommen.
Wenn ich unter sie gehe. Was ich so oft es geht irgendwie vermeide. Ich bin im wahrsten Sinne des Wortes asozial geworden. Weil ich Angst habe unter Menschen und mich wie ein Fremdkörper fühle, herausgestellt und angestarrt, und stetig mit diesem mulmigen Gefühl im Magen als wüsste ich, dass gleich irgendwo etwas sehr, sehr schlimmes geschehen wird.

Ich bin im permanenten Fluchtmodus. Und fliehe nicht.

Unter Menschen habe ich Blutrauschohren, Zitterhände. Zu sagen, dass mich soziale Situationen überfordern – ist aber nur teilweise korrekt. Sie verunsichern mich. Und wenn ich nichts habe, um mich zu halten, einen Rahmen, eine Begründung, dort zu sein, etwas, was mich eint – bin ich ein Stein im Schuh.
Andere Menschen müssen lediglich ihre Freunde treffen, um mit ihnen, bei ihnen zu sein. Das funktioniert bei mir nicht. Ich bin es so gewohnt, mich in mir selbst wie ein schlecht sitzendes Implantat zu fühlen, dass ich unter Menschen doppelt und dreifach Fremdgefühle entwickle. Wer sich fragt, was das sein soll, so ein Fremdgefühl, dem rate ich, einfach mal mit zerschnittenen, kurzen Jeans in die Oper zu gehen. Nebst einem Partner, der sich recht offensichtlich für einen schämt. So, ungefähr. Das Gefühl, hier nicht hinzugehören beschränkt sich bei mir nur eben nicht auf die Oper, sondern auf die ganze Welt. Ich bin hier falsch. Weil mich nichts mit der Welt gemein macht. Einfach nur Mensch sein, das eint mich nicht.

All das verfliegt, sobald ich eine Verbindung habe. Eine Berechtigung. Bei Auftritten – ist es genau dies. Ich bin da, um auf der Bühne zu stehen. Die anderen Menschen auch. Vielleicht auch deshalb fällt es vielen Menschen, mit denen ich nur beruflich zu tun habe, gar nicht so besonders auf, dass ich eine beschissene Krankheit habe.
Aber privat? Was ist da mein Grund, in einer Kneipe zu sitzen, mit meinen Freunden vor dem Rekorder zu stehen und zu quatschen?
Eben. Spaß haben. Aber ich habe keinen Spaß. Weil ich mich fürchte. Und das entzieht mir die Basis, die ich mit meinen Freunden haben könnte, und dann fühle ich mich ausgeschlossen von diesem Gefühl des Spaßes, und dann werde ich still und stiller und alles um mich wird nur noch Rauschen mit Gewicht. Ich kann das nicht besser beschreiben, aber dieses Rauschen und Brummen umfängt mich dann und drückt von allen Seiten, und so muss ich fliehen, bevor ich zerquetscht werde von diesem Gefühl der Fremde und der Abgekapseltheit.

Freundschaft ist keine Verbindung für mich derzeit

Ich kann Freundschaft nicht gut. Weil Freundschaft bedingungslos sein sollte, ich aber immer etwas brauche, was mich mit meinem Gegenüber auf eine Baseline bringt. Sei es ein Song oder ein Thema oder was auch immer. Und gibt es das, ist alles gut. Aber irgendwann endet so ein Song. Und dann sage ich „Ja.“
„Ja. Hm“ und sonst nichts, nur das, immer wieder, bis ich irgendwo einen Haken vorbeitreiben sehe. Oder eben plötzlich noch viel Arbeit habe. Und nach Hause gehe.
Und so bin ich das Arschloch, welches immer so unhöflich schnell geht, nie auftaucht und immer so unangenehm schweigt. Das bin ich. Weil ich nur durch Milchglas emotional beteiligt bin, ich kann nur Schemen fühlen. Und das reicht nicht, um aufrichtig zu lachen oder zu entspannen und zu genießen, dass ich Freunde habe.
Nein, das reicht nicht, und deshalb gibt es immer weniger Menschen, die ich durch das Milchglas hinweg fühlen kann, weil niemand so lange stehen bleiben möchte, bis ich mich traue aus meinen Schatten heraus, um zu schauen, ob mich irgendetwas mit der Welt verbindet grad. Alle, bis auf die allerwenigsten.
Aber die, die bleiben stehen, auch wenn ich mich wochenlang nicht rühre, still bin und tot.
Auch wenn ich das nur schwerlich zeigen kann, aber wenn es eine Sache gibt auf dieser Welt, für die ich dankbar bin, dann sind das diese Freunde. Die mit mir gemeinsam wieder ein paar Gemeinsamkeiten schaffen, die ich in den letzten Jahren in meinem Kopf und meinem Herzen konsequent ausradiert habe, um endlich kein Teil mehr von irgendwas zu sein, was ich enttäuschen könnte.
So beschissen dumm das alles auch klingt.

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