Ich bin einer von denen, die in der Vergangenheit leben. Das sagt die coole Sau neben mir. Aber das ist so nicht ganz richtig. Ein Teil von mir hängt immer gern in Vergangenheiten fest, während sich der Rest schlicht vor der Zukunft fürchtet und deshalb lieber zurückschaut. Zu einem konservierten Leben. Man weiß, wie es schmeckt – und es verdirbt nicht.
Ich betrachte die Vergangenheit, als sei sie eine Zukunft, die ich schon kenne.
Ich grüble über Entscheidungen – die ich längst getroffen habe. Deren Konsequenzen ich längst gespürt habe. Aber vielleicht lässt sich ja noch was dran ändern. Ist ja schließlich auch viel produktiver, auf eine starre Wand einzuschlagen denn auf einen Klumpen Wachs, so man etwas verändern möchte.
Und ich ändere nichts. Da ich eben, jetzt wird´s redundant, Entscheidungen überdenke und bereue – die ich bereits hinter mir habe. Aber eben behandle wie Dinge, die noch vor mir liegen – indem ich Angst vor ihnen habe. Mich davon zersetzen lasse.
Ich meine, klar, jeder hat Entscheidungen, die er bereut. Ist jetzt nix ungewöhnlich dran. Aber diese Entscheidungen lassen andere Menschen hinter sich, blicken nach vorn. Und genau diese Eigenschaft, diese Fähigkeit des Perspektivwechsels, die geht mir ab. Nicht vollständig, aber zu einem nicht unerheblichen Teil.
Ich stelle mir das vor wie einen Mann, der Rückwärts der Zukunft entgegenschreitet, ohne sich darüber bewusst zu sein. Er sieht etwas vor sich, die Vergangenheit, ist sich dessen aber nicht im Mindesten bewusst. Und handelt dementsprechend, als wäre das, was er da sieht, ein Blick nach vorn statt zurück. Ist das verständlich?
Und ich schraube und drehe und zerre an meiner Vergangenheit herum – und wundere mich, warum zum Teufel sich denn nichts verändert. Das klappt doch bei allen anderen Menschen so gut. Wenn die ein Problem sehen – reagieren sie darauf und SCHWUPP: Veränderung.
Dafür bin ich zu blöd. Oder zu depressiv. Ich weiß es nicht. Vielleicht beides.
Depression ist der starre Blick auf das, was fehlt.
Das hat mir heute eine sehr nette Dame mit auf den Weg gegeben. Vielleicht lässt sich das erweitern auf „der starre Blick auf das, was kacke war.“
Gut, zugegeben, nicht ganz so poetisch, aber Poesie mache ich auch nicht in der Freizeit. Dennoch ist da ja was dran. Der starre Blick auf das, was kacke war. Es scheint mir in meinen Tiefphasen schlicht nicht möglich, den Blick abzuwenden, nicht möglich, meine Vergangenheit als genau das zu begreifen, was sie ist: vergangen, unveränderbar. Und vor allem keine Grundlage, auf der ich zwangsläufig Entscheidungen für die Zukunft aufbauen muss.
Klar, Erfahrungen sind gut. Helfen beim Entscheidungsprozess. Aber warum ich immer von schlechten Erfahrungen zehren und die zur Basis jedweder Zukunftsentscheidung machen muss – wenn mir das mal wer erklären könnte…ich hätte hier bestimmt noch etwas Silberware, die ich dafür als Preis ausloben könnte.
Es scheint mir in vielen Momenten unvorstellbar, dass ich meine Zukunft, oder gar Gegenwart, ganz und gar unabhängig von alten Emotionen gestalten oder planen könnte.
Wie gesagt, mein Blick nach vorn ist ein Blick zurück.
Andere leben umgekehrt – so viel Angst, in der Zukunft einen Fehler zu begehen.
Ich habe keine Angst vor der Zukunft – weil ich da gar keine Perspektive drauf habe. Was morgen passiert – kann ich mir heute nicht ausmalen. Aber übermorgen kann ich mir die Trümmer davon ansehen und denken: „Ja, okay, das wartet also auf mich.“
Und gerade – da versuche ich wirklich, wirklich mal den Kopf zu wenden. Nur so kann ich vielleicht mal anders handeln als früher. Und das, funky These, könnte dann ja tatsächlich andere Ergebnisse bringen.
Nur müsste ich dafür ersteinmal das Kunststück hinbekommen, mich nicht allein durch meine Vergangenheit zu definieren – sondern zur Abwechslung vielleicht einfach mal durch das, was ich derzeit bin.