„Lach doch mal!“
Das ist irrwitziger weise ein Ausspruch, den ich schon lange nicht mehr gehört habe. Ich bin ja nicht per se traurig. Zumindest nicht direkt. Verzwickte Kiste.

Ich kann wenig genießen, ich schätze, das trifft es ganz gut. Und das ist kacke. Ich weiß, dass mir gewisse Dinge Spaß machen sollten – aber aus mir unerfindlichen Gründen ist dem nicht so. Oder: nicht mehr so.

Ich gehe nicht freudlos durchs Leben, darf man jetzt nicht falsch verstehen, ich kann über witzige Dinge lachen wie jeder andere auch. Mein Humor ist also nicht amputiert worden, als meine Hirnchemie beschloss, laut „Arschloch“ zu schreien.

Klavierspielende Katzen mit künstlichen Bärten machen mich auf Stunden arbeitsunfähig, da bin ich ziemlich oldschool.

Was hingegen nun so garnicht funktioniert ist das, was man gemeinhin wohl „was unternehmen“ nennt. Im Park sitzen, ein paar Bier trinken, mit Leuten quatschen. Gibt mir nix. Früher war das anders. Früher hat mir das Energie gegeben – heute kostet mich das meine letzten Reserven, wenn ich Pech habe.
Viele meiner Alltagserfahrungen lassen sich erstaunlich gut mit Fernsehen gleichsetzen.
Wo viele meiner Mitmenschen knallobunte Fetzästhetik wahrnehmen dürfen, da läuft bei mir das Testbild.

In Schwarzweiß.

Ohne Ton.

Oder auf Französisch.

Mich berührt so ein Tag im Park einfach nicht, wie er das tun sollte. Er gleitet dahin, ich sehe das alles, nehme wahr, bin Teil davon, aber so eine richtige, emotionale Verbindung zu diesem Protagonisten, aus dessen Perspektive ich das Geschehen wahrnehme, die mag sich nicht einstellen.
Es plätschert so dahin.

Aber ich habe keine Lust, darauf angesprochen zu werden. Wenn ich da nicht mitspiele bei diesem Spiel der guten Laune, dann fragt garantiert nach ein paar Minuten irgendein Requisit, warum ich denn so schlechte Laune hätte.
Und bevor ich dann lang und breit erkläre, dass es mir nicht an Laune mangelt, sondern schlicht und ergreifend an emotionaler Beteiligung, dass ich eben nicht „schlecht“ gelaunt, sondern irgendwie „garnicht“ gelaunt bin, und bis das dann mein Gegenüber verstanden hat – meist ist da die Sonne schon wieder „am untergehen dranne“, wie man dat so sacht hier, bis ich also diesen ganzen Aufwand betreibe – da lächle ich doch lieber, obwohl ich selbst keinen Spaß, aber eben auch keine Traurigkeit in der Sache finden kann.
Vielleicht lächle ich dann nicht, weil ich Spaß habe.
Aber ich lächle, weil ich irgendwie damit umgehen kann, dass mich das nicht so berührt wie meine Mitmenschen.

19 Comments on Schwarzweiß auf Französisch

  1. Dieser Blog ist jetzt schon einer meiner Liebsten. Nicht nur wegen deinen großartigen Schreibstils, sondern auch, weil du das ausdrücken kannst, was viele fühlen. Ich glaube auch, dass sich viele Menschen in deinen Texten wieder sehen.

    Ich selbst kenne das Gefühl zu gut. Ich habe vor ca. 3-4 Jahren immer Ausreden gesucht, wenn meine damaligen Freunde etwas „tolles“ unternehmen wollten. An sich wars cool, in die nächste Großstadt zu fahren, Cocktails zu trinken und co. Ich habe an den Dingen nichts tolles gesehen. Aber auch nichts schlechtes. Also entschied ich mich, ihnen zu sagen ich hätte unendliche Menstruationsbeschwerden und habe mcih wie immer im Bett verkrochen.

  2. Ich kann mich Coco nur anschließen: dieser Blog ist einer meiner Liebsten!!
    Ich danke dir dafür Tobi, das du uns an deinen Erfahrungen und an deinem Leben mit dieser Erkrankung teilhaben lässt! Und dafür, das du die Worte findest, die einem als Betroffenem selbst oft fehlen um sich auszudrücken…oder den Leuten ‚ohne‘ zu erklären was mit einem los ist…
    Deinen Schreibstil für diese, deine Erfahrungen und Wahrnehmungen finde ich richtig klasse! Er bringt mich zum Schmunzeln und lässt mich so manche Wut vor der eigenen Hilflosigkeit angesichts der Depression und ihrer Auswirkungen/Einschränkungen kurz vergessen.
    Danke dafür und bitte mach weiter so!!! Ich wünsche dir und allen Betroffenen viel Kraft und liebe, verständnisvolle Menschen an der Seite!

  3. Es ist unglaublich, wie bekannt mir das alles vorkommt, was du hier in deinem Blog schreibst.

    Ich gerne aber noch gerne weg. Grade, um mich abzulenken, nicht nachzudenken, den Kopf zu betäuben.
    Und dann geht es mir auch eigentlich gut und ich denke mir, dass ich jetzt „meine Batterien“ auflade. Aber dann muss nur irgendeine Kleinigkeit passieren, irgendwas belangloses, was mich wieder runterzieht. Und der ganze schöne Tag ist verschwunden, als wäre er nie da gewesen…

  4. Ich lese deinen Blog wirklich gerne.
    Das Gefühl nicht die Einzige zu sein, die sich durch den Tag quält gibt mir Mut. 🙂

    Aber wie schaffst du das alles?
    Ich schaff es nicht mal einen Job mehr als 2 Monate zu behalten….
    Bist du leicht suchtanfällig?
    Sagen zu dir auch alle du bist dauernd „pissig“ drauf?
    Ich will das ja eigentlich alles gar nicht. Ich würde so viel geben, um mich wieder für Dinge begeistern zu können, die außerhalb des Bettes stattfinden :/

    Anni

  5. Moin Tobi und alle.
    Danke, Tobi, dass Du dasgegenteilvontraurig geboren hast! Was für ein schönes Wort für etwas so unbegreifliches. Im Laufe meines laaangen Lebens (immerhin satte 38 Jahre) wollte ich mich schon sehr oft von meiner Depression trennen. Nicht vom Leben, dazu hatte ich immer ein Fünkchen Hoffnung auf bessere Zeiten. Die kamen nicht, dafür die schlechten immer wieder. Mittlerweile habe ich mich daran gewöhnt. Haha, was für eine Schwachsinn:) Ich wollte es aber einfach mal aufschreiben und sehen, wie es sich liest. Nein, gewöhnen kann man sich nicht daran. Ich glaube, das darf man auch nicht. Leider ist die Depression (meine heißt übrigens Elsa) ein falsche Schlange: Gerade, wenn es einem schlecht geht, sollte man sich ganz liebevoll behandeln. Aber wer will das in diesen Momenten schon? Würde man seinem ärgsten Feind eine heiße Schokolade machen, ihm den Rücken kraulen und Mut zusprechen? Im Leben nicht.
    Aber manchmal mag ich Elsa. Sie macht mich aufmerksam. Sie öffnet den Blick für Menschen. Sie lässt mich ganz besondere Freundschaften schließen. Und irgendwann lässt sie es vielleicht auch zu, dass ich mich endlich verliebe. In mich selbst.
    Vom Weg dorthin schicke ich viele Grüße nach Dortmund und in die Welt!

    • Sehr cool geschrieben enaselsa!! Genau diese Erfahrungen, (speziell) die du am Ende aufzählst, mache ich auch. Und so widerstrebend sich das dann auch anfühlt, aber das Wort das mir dann in dem Moment dafür in den Sinn kommt ist ‚Dankbarkeit’…wenngleich der Preis dafür einfach viel zu hoch ist. (Oh man, dankbar für diesen Sch… unfassbar! Aber ein anderes Wort fällt mir nicht ein.)
      Deine Hoffnung im Bezug auf das Verlieben teile ich und wünsche es dir und allen Leuten ‚mit‘ von Herzen!!

      • Dankbarkeit…ja, das klingt so beschissen positiv:) Aber mir fällt dazu auch kein passenderes Wort ein. Oder….vielleicht…nee. Nennen wir es doch einfach so. Wir können unsere Gefühlswelt doch eh nicht tauschen (Du weißt schon, mit denen „ohne“), warum sollen wir sie dann nicht annehmen. Ständiges Verteufeln ist doch auch irgendwie blöd. Ich will jetzt aber nicht klingen wie jemand, der über der ganzen Sache steht und „total gut damit umgehen kann“. Kann ich nicht. Ich steck mitten drin und oft genug liege ich darunter begraben. Aber dieser Blog (dafür nochmal DANKE, Tobi) macht mir so doll bewusst, dass es gut tut, sich auszutauschen. Eben nicht allein zu sein. Und vielleicht doch eine Möglichkeit zu finden, damit zu leben. Und das gern auch gern:)

    • Liebe offenäugige Kakao-Köchin von Elsa,
      bei der ästhetischen Wortjonglage sollte das mit dem Verlieben ganz leicht sein – schreib über dich und lies dich dir vor.

  6. Dein Blog gefällt mir jetzt schon total gut und ich freue mich auf viele weitere Beiträge. Ich mag deinen Schreibstil irgendwie gerne und kann mich jetzt schon in einigen Sachen selbst wiederentdecken. Ich bin neulich mal durch Dortmund gefahren. Zum Glück war es da schon dunkel.

  7. Es ist unheimlich und wunderschön zugleich, einen Text zu lesen, der das eigene Leben perfekt widerspiegelt, obwohl doch das Leben eines Fremden beschrieben wird.

    Danke dir!

  8. Hallo Tobi und alle anderen,

    gerade „Park“ – das ist mir vorhin am meisten aufgefallen und ich danke dir dafür.

    Für mich ist es „in den Urlaub fahren“. Meine Heimat ist das Allgäu und ich sollte mich freuen, wenn wir dorthin fahren und ich sage es auch – aber ich empfinde diese Freude nicht.

    Meinen Mann lieben – mein Verstand sagt: Du liebst ihn – aber im Herzen kommt es nur selten an. Wenn, überwältigt es mich – meistens ist das Herz nur eine leere Hülle.

    Und nach außen immer so tun, als wäre alles okay.

    Die Diagnose Depression ist noch nicht alt bei mir – aber alt sind die nicht vorhandenen Gefühle. Ich fühle mich apathisch, betäubt, gefühlsdesorientiert und das macht mir das Leben schwer.

    Der Doc sagt: Gehen Sie in die Natur – unternehmen Sie etwas, was Ihnen gut tut. Leicht gesagt – nicht durchführbar.

    Ich danke dir sehr für diesen Blog – er spiegelt wider, was du und ich und alle anderen nicht empfinden.

  9. Ich hab eine Frage an alle, die sich angesprochen fühlen.. Geht es euch (manchmal/öfters/meist)ebenfalls so, dass auch bei dem Gedanken an den Tod eines ‚geliebten‘ Menschens, die Gefühle nicht die sind, die doch ’normalerweise‘ ausgelöst werden sollten? Ich finde es so furchtbar, dass nicht ’nur'(als wäre es nicht schon kaum tragbar) man selbst Tag für Tag aushalten und kämpfen muss, sondern Familie, Freunde-Menschen die einen lieben, so unheimliche Hilflosigkeit etc. erleiden.

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