„Ich finde dich sehr attraktiv. Also, charakterlich.“
Mir fiel damals nicht ein, was man schlaues darauf antworten könnte. Heute auch nicht. Es ließen sich bestimmt einige sehr unschlaue Dinge dazu sagen, die bestimmt aber gemein klängen. Und wohl auch so gemeint wären. Obwohl sowas unfair ist.
Wie jeder Mensch bin auch ich Besitzer eines Körpers. Nicht so unbedingt stolzer Besitzer, aber inzwischen bin ich so weit, den auch vor Fremden als meinen eigenen anerkennen zu können. Wäre es anders möglich gewesen, ich hätte früher wohl folgendes behauptet:
Nee, das is nicht mein Körper. Ich hab mir den geliehen. Mein eigener ist grad in der Reinigung. Freiwillig würde ich sowas hier ja nicht anziehen – aber was willste machen? Klar, billiger Shit aus Taiwan, aber immerhin irgendwas zum vor die Tür gehen.
Man kann ja leider nicht aus seiner Haut.
Ich war eigentlich immer unzufrieden mit mir. Mit meinem Gesicht, meinem Körper, meiner Mimik, Gestik, Haaren, allem. Ich lächle doof auf Photos, habe immer zu viel Bauch, zu große Oberschenkel, meine Schultern hängen, mein Hals sieht komisch aus, ich hab seltsame Haut und seltsame Narben. Dementsprechend gut fand ich mich selbst. Immer schon. Dass mich die Mutter einer Exfreundin mal als „speckgesichtige Qualle“ bezeichnete – half da nicht unbedingt. Hätte ich damals etwas mehr Souveränität besessen hätte ich ihr vermutlich…nee, nichts hätte ich, denn mein Äußeres ist immer noch ein verletzlicher Punkt. Wird es auch immer bleiben, schätze ich.
Wir sind, wie wir aussehen.
Anfangs, als ich mir meiner Depression noch nicht so recht bewusst war – habe ich vieles auf meinen Körper geschoben.
Wenn nur dieser Bauch nicht wäre. Wenn ich nur hier weniger und dort mehr Haar hätte. Wenn mein Gesicht nicht wie ein ausdrucksloser Klumpen Mett ausschaute.
Dann wäre ich bestimmt glücklich. Dann wäre ich bestimmt viel mehr unter Menschen, könnte viel mehr aus meiner Haut.
Ich könnte viel mehr aus meiner Haut – wenn ich es nicht wollte.
Ich wollte immer anders sein. Glücklicher. Jemand anderes. Jemand, der glücklich war. Und das habe ich lange Zeit mit meinem Körper allein verbunden. Und mich dann doppelt und dreifach dafür gehasst, wenn das mit dem Sport nicht klappte. Meine Probleme mit mir und mit anderen Menschen, die waren in meinem Kopf eigentlich garnicht vorhanden, die lagen in meinem Körper. Menschen fanden mich scheiße, weil ich kein durchtrainierter Adonis mit verwegenem Haarschopf war. Is klar. Man kennt das. Immer wenn ich durchschnittlich aussehende Menschen treffe – will ich denen auch sofort erstmal aufs Maul hauen. Ganz normaler Reflex. Und immer wieder sagte ich mir: Wenn der Bauch weg ist – bist du glücklich.
Gut, heute weiß ich, dass das völliger Blödsinn ist.
Klar kann mir abnehmen/andere Frisur/plastische Chirurgie dabei helfen, eher meinem Ideal zu entsprechen. Körperlich. Und das ist dann der Moment, in dem man allgemeinhin so feststellt, dass es darum nicht allein geht. Natürlich sind Komplimente was tolles, die helfen, ohne Frage. Aber sie verstummen auch wieder schnell. Und dann lässt die Wirkung nach. Und man will mehr. Man will das zurück. Also nimmt man noch mehr ab. Schneidet sich die Haare noch krasser. Lässt sich irgendwas weg oder dazu operieren. Und das Spielchen geht von vorne los. Unendlich oft. Aber es ist keine Dauerlösung. Es kann ein Schritt sein. Denn was man da spürt ist nicht Zufriedenheit mit sich, sondern schlichtweg Veränderung.
Veränderung ist Glück auf Zeit.
Nichts spricht dagegen, auf sich und seinen Körper zu achten. Es ist sogar ziemlich dufte. Aber es ersetzt nicht dieses berühmte „mit sich zufrieden sein“.
Das geht, bei einer Depression, leider nur mit Körper UND Kopf.
Ich mag meinen Bauch immer noch nicht. Aber ich mag mein Tattoo. Das war am Anfang auch cool und neu. Damit fühlte ich mich toll und verwegen. Heute ist es ein Teil von mir, und das ist okay so. Ich bin „ich“ mit diesen Buchstaben auf dem Arm. Das ist cool so.
Entspricht nicht jedermanns Schönheitsideal.
Wenn es mir nun gelänge, meine kleine Murmel, die ich vor mir hertrage ebenso zu akzeptieren – wäre das ne coole Sache. Die gehört derzeit zu mir. Ist leider nicht so einfach.
Letztendlich aber muss ich einsehen, dass meine Freunde mich cool finden – mit und ohne Bauch. Dass diese coole Sau mich liebt – auch mit Bauch. Dass ich mich selbst lieben darf – auch mit Bauch. Denn der ist lediglich ein Teil von mir. Wie mein Körper. Nur ein Teil.
Und es gibt so viel mehr, womit man andere und sich selbst von sich selbst begeistern kann.
Den wunderschönen Kopf, zum Beispiel. Mit all den kleinen, sinnlosen Gedanken darin, die jeden Menschen so einzigartig liebenswert machen.