„Ich geh kaputt“, sage ich zu meinem Kumpel Mu am Telefon. Wir sprechen über das Buch, das ich geschrieben habe – und darüber, dass ich das tatsächlich nicht glauben kann, was grad geschieht.
„Geh da mal heile dran“, sagt Mu darauf. Geh da mal heile dran. Wie geht man an etwas heile?
Mein Buch ist recht erfolgreich. Das ist super. Und unglaublich. Im Sinne des Wortes unglaublich. Ich vermag nicht, das zu glauben. Geschweige denn, zu akzeptieren. Es kommt mir vor, als hätte das jemand anderes geschrieben, als sei es nicht Teil von mir. Eben gerade weil es erfolgreich ist.
Ich habe so lange Jahre meines Lebens damit verbracht, mich vor mir selbst als Versager zu inszenieren, ich bekomme positive Rückmeldungen nicht mit dieser Rolle unter einen Hut. Geht nicht. Bin nicht ich.
Und jetzt soll ich statt kaputt einfach mal heile daran gehen.
Eigentlich ein schöner Gedanke.
Für mich sind Schicksalsschläge und Ablehnungen so etwas wie ein großer Hammer, der mir vor die Brust geschlagen wird. Früher war ich aus Porzellan. Heute bin ich eine Figur aus Wellblech, die innen hohl ist. Andere sind massives Edelstahl. Die kann so ein Hammerschlag umhauen – aber nach dem Aufstehen bleiben nur Kratzer, wenn überhaupt. Mich hat das früher zerrissen, zersprengt. Ablehnung prallte an mir nicht fast geräuschlos ab. Sie zwang mich in Scherben.
Wenn ich abgelehnt werde – kann dieses Ich, das ich bin, ja wohl nicht gut sein.
Also ließ ich mich zerschlagen, um daraus etwas Neues zu bauen. Jedes Mal aufs Neue.
„Hast du mal wieder die Liebe deines Lebens kennengelernt“ waren Reaktionen, die darauf folgten. Denn ich war neu, immer wieder. Weil das so viel leichter war, sich selbst zu zerstören.
Heute bin ich Wellblech. Die Hämmer hinterlassen tiefe Dellen – vermögen aber nicht mehr, mich zu zersplittern. Schicksal und Ablehnung formen mich.
Und dann sagt Mu „Geh da mal heile dran.“
Und dann sitze ich eine Woche später im Auto, unterwegs ins wunderschöne Gronau, und denke so bei mir: „Fuck. Ganz schön viele Leute müssen dein Buch ja gekauft haben. Wie soll das gehen?“
Und dann, ganz automatisch, drehe ich mich in den Schlag hinein. Trete einen Schritt vor, dem Hammer entgegen. Und der letzte Satz verfehlt mich, zu groß ist sein Schwung, zu offensichtlich.
„Fuck. Ganz schön viele Leute müssen dein Buch ja gekauft haben.“
Dieser Hammer trifft mich. Nur nicht mehr dort, wo ich früher immer getroffen wurde. Er trifft das Gegenstück dazu, beult mich quasi aus. „Geh da mal heile dran.“
Positives kann dieselbe Schlagkraft wie Negatives haben. Ich kann mich von Anerkennung genau so treffen lassen wie von Ablehnung. Nur muss ich den Schlag kommen sehen. Mich selbst kennen, meine eigenen Muster kennen, um dem schädlichen Teil auszuweichen.
Es ist und bleibt ein beschissener Kampf mit mir selbst. Und einer von beiden Ichs hat einen beschissenen Hammer. Der andere aber, der kann nachdenken und sich bewegen. Beeinflussen, wo der Hammer trifft und so nur Teilsätze Wirkung entfachen lassen.
Und sich so vielleicht ein kleines Stückchen heile dengeln.
Aber dafür – muss ich scheinbar die Sätze kennen, die mein Leben seit jeher relativieren und schmälern.
„Das ist nur Zufall“ ist einer von meinen.
Und es gelingt mir immer öfter, dem auszuweichen.