Seit ich Medikamente nehme, ist es nicht mehr so dunkel in mir. Aber auch nicht so hell.
„Voll assi“ dachte ich mir, „ich nehm das Zeug doch, damit ich mich mal wieder so richtig freuen kann. Wie jeder gesunde Mensch.“
Dann fiel mir auf, dass es vielleicht zu lange her ist mit dem normal freuen. Und dass ich mich an was ganz anderes gewöhnt habe.

Früher, als ich noch so richtig fein drin war im Krankheitsbild, da war ich zwar manchmal tief unten, aber ich konnte mich freuen – da würden andere dran kaputt gehen. Echt jetzt. Dieses berühmte auf-Wolken-gehen und sowas. Wenn mir jemand zulächelte.
Eigentlich möchte ich garnicht wissen, was passiert wäre, wenn ich mal im Lotto gewonnen hätte. Schätze, da wäre irgendwas in mir durchgebrannt. Oder explodiert.
Irgendwo mal n gutes Wort zu hören – das konnte mich locker durch ne Woche bringen. Wenn es denn die richtige Woche war.

Ich vermisse diese Wochen, ganz ehrlich.

Früher war alles ein Entweder – Oder.
Entweder ging es mir herzhaft beschissen – komplett mit allem, was so dazugehört, dem Zweifel am Selbst und dem ganzen anderen unnützen Piffpaff, oder aber ich war auf einer ganz anderen Bewusstseinsebene unterwegs, wo mich keine Nachricht aus der Bahn zu werfen vermochte, wo eigentlich alles kunterbunt und geil war. Wo ich kunterbunt und geil war. Da konnte ich Bäume ausreißen und mich freuen über das Leben und Lieben wie kein anderer Menschen in diesem Universum.

Denkste da zumindest. Ist natürlich völliger Unsinn, aber darum geht’s ja auch in dem Moment nicht. Das war die beste Droge der Welt. Gut drauf sein.

Ich mochte meine Manie – und meine Manie mochte mich.

Da war nie etwas verkehrt, und ich konnte alles schaffen, was ich mir vornahm.
Dass ich solche Hochphasen mit nem Preis bezahlte – war aus dem Gedächtnis gestrichen.
Aber es war irgendwie recht unbalanciert. Ich war eine Wippe, die immer nur zu einer der beiden Seiten zur Ruhe kommen konnte. Nicht ausbalanciert, nur die Extreme, die extremen Gefühlssituationen waren ein natürlicher Endpunkt meiner Launen.
Anstrengender Scheiß, darauf jedes Wort, welches mir grad so einfallen mag. Und noch ein paar, die ich extra im Duden raussuchen werde.

Diese Erkenntnis der Balance, die kam natürlich nicht währenddessen – da war ich viel zu sehr damit beschäftigt, in diesem konstanten Rumgefühle ganz langsam den Verstand zu verlieren. Wer will schon dauerhaft auf Drogen sein und da mit intaktem Verstand rausgehen.

Alles für mich war schwarz oder weiß, gut oder schlecht, für mich oder gegen mich.

Ein permanentes Entweder – Oder. Und so ist die Welt nun mal einfach nicht.
Irgendwie klar, dass man mit so ner Sicht früher oder später auf die Fresse fliegt.
Das ist bei mir dann auch oft genug passiert. Und ich begab mich in Behandlung, fing an, Medikamente zu nehmen. Und die Welt wurde von einem Entweder – Oder wieder zu einem Sowohl – Als auch.

Anfangs war ich irritiert (und bin es immer noch) über die mangelnde Gefühlsqualität und Quantität. Ich war richtig enttäuscht, als ich nach einer beruflich extrem geilen Nachricht nicht wochenlang dieses Hochgefühl verspürte – sondern es schlichtweg mit einigen ausgelassenen Stunden verarbeitete. Da muss doch was falsch sein, dachte ich so bei mir, wirken diese verfickten Pillen nicht, oder was is hier Phase?

Dann, ganz langsam, kam ich drauf, dass sich alle anderen Menschen wohl eher so freuen.
Kurz. Und in einem überschaubaren Maß.
Das ist manchmal noch sehr traurig für mich. Diese ganze Euphorie aufzugeben.
Sich wie ein ganz normaler Mensch zu freuen.
Aber dafür kann ich die Welt wieder in Schattierungen sehen, in Farbabstufungen, in kleineren Einheiten, eben in Sowohl – Als auchs.

Ein Hoch auf die Grauzonen.

Denn die haben mir dann doch sehr gefehlt bei dem Versuch, andere Menschen so ganz wirklich und aufrichtig zu verstehen.
Das schwenkt jetzt gegen Ende nochmal in so eine triefend semi-kitschige Ecke hier, aber ich find das ganz in Ordnung, spiegelt ja das Thema ganz gut wieder. N bissken was hiervon, bissken was davon. Find ich gut. Dufte, runde Nummer.
Ich geh jetzt und freu mich ein, zwei Stündchen, dass ich n Blog schreiben darf, den ein paar Menschen wirklich gerne lesen, und dann is aber auch wieder gut.

Nee nee nee. Ist schon ganz angenehm, irgendwie, so ein ausbalanciertes Lebensgefühl. Da verzichte ich auch gerne auf meine liebe Manie. Wenn ich dafür die Dunkelzonen ebenso streichen darf.
Wunderbar ist es im halbdunklen Schatten auf der Sonnenseite.

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