„Hey Tobi, wie wär das, wenn wir n Kaffee trinken gehen?“
„Weiß nich. Pest, Cholera. Dritter Weltkrieg. Irgendwo da die Ecke so.“
„Okay. Du willst also nicht.“
„Doch. Aber ich hab da sowas ähnliches wie Angst vor. Nur krasser.“
„Das klingt verrückt.“
„Find ich auch.“

Solche Dialoge kommen in meinem Leben natürlich nicht vor. Es wäre schön, da so offen drüber reden und mit umgehen zu können. Aber das mag mir in vielen Momenten nicht gelingen. Es ist dann doch einfacher zu sagen, man habe „zu tun“ oder „schon was vor“ – was zwar bescheuert, aber leichter ist, als sich zu rechtfertigen für eine Angst, die nichteinmal man selbst so wirklich nachvollziehen kann.

Wenn die Wahrheit wie ne beschissene Ausrede klingt.

„Ich muss hier raus. Ich muss hier raus, sonst passiert gleich irgendetwas sehr, sehr schlimmes mit mir“ habe ich letztens gedacht, und es war nicht das erste mal. Dabei „war“ eigentlich garnichts. Ich habe n kleinen Auftritt gehabt, 5 Minuten nur, bin vorher 4 Stunden Zug gefahren. Und danach, statt wie jeder vernünftige Mensch die Aftershow zu genießen, Bücher zu verkaufen, oder wenigstens einfach ins bereits bezahlte Hotelzimmer zu gehen – springe ich von der Bühne ins Taxi, lasse mich zum Bahnhof rasen um dann einfach nur im Zug zu sitzen und vielleicht sogar nach Hause zu kommen. Der letzte Punkt war aber ganz unten auf der Prioritätenliste. Hauptsache: Raus. Weg. Stille. Wirklich verbalisiert habe ich aber nur „Ich glaub, da fährt noch ein Zug, den könnte ich ja nehmen, wär ja voll praktisch.“

Es schnürt mir mein Herz zu. Nicht nur die Luft ist weg. Mein Kopf rauscht, ich zittere. Kann meinen Herzschlag bis in die Zehen spüren, möchte verschwinden, aus der Welt und aus mir. Aus meinem Kopf, weil darin alles schreit, dass gleich irgendetwas furchtbar schiefgehen wird. Dabei gibt es keinen Anlass.

Mein Kopf foltert mich ohne offensichtlichen Grund.

In solchen Momenten bin ich Plastik, eine Zeit. Habe mir ein Puppenlächeln aufgesetzt und die beste Laune draufgemalt. Damit wirklich niemand sieht, wie alles in mir zittert und vor Angst nichts mehr sieht außer den Fluchtweg. Und der ist gepflastert mit Lügen und Ausreden. Weil ich aus irgendeinem Grund in solchen Momenten kaum formulieren kann, wovor ich Angst habe.
Manchmal reicht aber auch der Gedanke an die Panik, um Panik auszulösen. Ich bin sehr genügsam, was das angeht. Ich kriege das auch mit den rudimentärsten Bauteilen wunderbar zurechtgezimmert. Man muss sich nur zu helfen wissen.

Wovor habe ich eigentlich Angst?

Eigentlich ne recht einfache Frage. Mit einer zu komplexen Antwort, wie mir scheint, denn ich komme immer nur zu Gefühlen, die sich standhaft einem sprachlichen Ausdruck erwehren. Aber ich versuche das mal:

Allein sein. Nichts wichtiges/richtiges/schönes zu sagen haben. Entlarvt werden. Gefangen zu sein unter Menschen. Allen Menschen. In die Ecke gedrängt. Der Freiheit beraubt. Ansprüche. Ansprüche nicht erfüllen können. Allein unter vielen zu sein. Stille. Lärm. Genervt sein. Nerven. Enttäuschen. Eine Last zu sein.

Aber all dies nicht in konkreten Szenarien, die in meinem Kopf ablaufen. Eher als diffuses Gefühl von allem auf einmal.

Das Gefühl, immer am falschen Ort zu sein. Ein Fremdkörper.

Das trifft es vielleicht ganz gut. Fremdkörperangst. Sogar fremd in mir selbst, wenn niemand da ist. Dann sitze ich manchmal allein mit mir auf der Couch und habe Angst vor mir und meinen Gefühlen, bin fern von mir und dennoch so unfassbar nah an mir dran, zu nah, dass die Gefühle die Oberhand gewinnen und den Geist mit einer Mauer aus Panik umgeben vor dem, was die Gefühle da grad anstellen. Mein Körper sitzt dann ganz vorne in der Achterbahn, ohne Gurt, und wir verlangsamen nur die Fahrt, wenn wir kopfüber stehen und ich mich krampfhaft an meinem eigenen Atem festhalten muss, um nicht aus dem Wagen zu stürzen.

Keine Minute vergeht, in der ich nicht einen Fluchtplan aus jeder Situation parat habe. Oder an ihm feile. Um dann noch wirklich eine Gelegenheit mit meinen liebsten Menschen im Sonnenschein vollends zu genießen – da fehlen mir die Ressourcen zu.
Manchmal hätte ich gern zwei Prozessoren in mir. Einen für den absurden Panikscheiß und die Ausreden. Und einen für das Leben, welches so irgendwie viel zu häufig in den Downtime-Lücken zwischengelebt wird.

Nicht immer. Aber viel zu oft, wenn ich doch eigentlich nichts, aber auch gar nichts zu befürchten habe von diesem wundervollen Leben. Von Freunden, die mit mir einfach nur im Gras sitzen und meine Anwesenheit genießen wollen.
Aber wer sagt in solchen Momenten schon „Du, ich hab grad Angst„?

Vielleicht ich. Weil ich eigentlich ganz sicher bin, dass meine Freunde dann sagen, dass das schade, aber völlig okay ist. Ich müsste mich nur mal trauen.

Kommentar verfassen