Ich verdiene wenig – bekomme aber viel.
Der Satz klingt ja jetzt erstmal derbe zum kotzen. Der klingt nach Heuchelei, nach fishing for compliments. Und irgendwie auch großkotzig. Meint aber eher das Gegenteil. Das sollte ich mal erklären, bevor es irgendwer missversteht. So wie ich die Menschen andauernd missverstehe. Absichtlich. Das scheint eine Eigenart meiner Depression zu sein. Die ich-bin-das-eigentlich-nicht-Wert-und-du-meinst-das-bestimmt-ironisch-oder-weißt-es-nicht-besser-Denke
Ich habe das Glück, dass mir in der letzten Zeit sehr viele wunderschöne Dinge widerfahren sind. Eines davon hat hier letzte Woche einen Blogeintrag veröffentlicht. Der Rest ist größtenteils beruflicher Natur, und darüber zu reden wäre bestimmt derbe langweilig. Bringt außerdem Pech. Künstler sind da eigen, behaupte ich einfach mal.
Häufig beschleicht mich das Gefühl, man wolle mir „was Gutes“ tun, einen Gefallen erweisen. Komplimente sind ein wunderschön ätzendes Beispiel dafür. Ich hasse Komplimente, da ich sie gerne bekomme, gleichzeitig aber nicht annehmen kann. Klingt wirr. Fühlt sich auch so an. Mein Selbstwertgefühl stellt sich meist schützend vor mich und schreit „Nö. Alles Lüge. Verpiss dich“ – und ich übersetze das dann meinem Gegenüber in ein verschüchtertes „Ach, du, das…äh…ja. Nee. Das könnte jeder/sieht grad nur so schwierig aus/liegt am Licht.“
Dinge annehmen. Ist mir zu einfach. Irgendwo ist ein Haken. Lieber erstmal ne Runde durch eine Wiese voller Womit hab ich mir das eigentlich verdient? Was will der andere dafür? Warum ich? Was ist hier los? Willst du mich verarschen? galoppieren. Denn: Fahrtwind ist immer auch Gegenwind. Ah. Fühlt sich gleich besser an.
Noch ein Beispiel? Gern.
„Magst du einen Kaffee?“
„Nein, danke.“
„Sicher?“
„Ganz sicher.“
„Wirklich?“
„Wirklich.“
„Aber ich hatte dich explizit zu Kaffee und Kuchen eingeladen. Magst du irgendwas anderes trinken?“
„Nein, ich bin zufrieden. Auch keinen Kuchen, bitte. Ich brauch keinen Stuhl. Ich steh lieber.“
Nach diesem Gespräch hat mir mein für seine Gastfreundschaft berüchtigter Kumpel Mu vor einigen Jahren fast aufs Maul gehauen. Heute kann ich das nachvollziehen. Damals hatte ich zwar wirklich Bock auf Kaffee und Kuchen – aber eben vor allem das Gefühl, diese berüchtigten Umstände zu bereiten.
Oder letztens, da saß ich mit ner fiesen Verletzung in der Notaufnahme – behandeln, verbinden, tralala – aber dann will man mir Schmerzmittel, Antibiotika und Verbände mitgeben, damit ich nicht noch am selben Tag zur Apotheke muss. Geht´s noch, Alter?
„Nee, ich hab sowas noch zu Hause. Lassen sie mal gut sein.“
Und dann schön abgerockt wie der letze Depp, der ich nun mal bin, in die Apotheke, alles vollbluten. Keine Ahnung, weshalb. Is pathologisch bei mir. Wenn du mir was Gutes tun willst – lehne ich das reflexartig erstmal ab.
Es lässt sich erahnen, dass ich, wenn es mir schon schwerfällt, solche Dinge anzunehmen, ein Problem damit habe, mich mal tatsächlich erfolgreich zu fühlen. Persönliche und berufliche Erfolge anzuerkennen. Fällt mir extrem schwer, und so bleibe ich häufig rastlos auf der Suche nach Bestätigung, die ich eigentlich längst habe. Nach außen wirkt das überheblich und arrogant, beizeiten.
Kleines Geständnis: Wenn ich eine Buchungsanfrage bekomme, frage ich in knapp 70% der Fälle nach, ob man wirklich mich meint.
Wenn man dann wirklich mich meint, bin ich immer ganz froh, dass Auftrittsgagen im Vorfeld verhandelt werden. Müsste ich immer nach einer Show über meine Bezahlung verhandeln – an schlechten Tagen würde ich wohl n Fuffi dalassen. Für die Umstände, oder so. Sorry, wollte nicht stören.
Dieser ganze Mist liegt, zumindest bei mir, begründet in den Sickergruben, auf deren Grund sicherlich irgendwo gut versteckt mein Gespür dafür liegt, was ich eigentlich wert bin. Was ich eigentlich kann. Wie ich eigentlich aussehe. Wenn mir dann grad nicht nach Tauchen zumute ist – lauten die Aussagen meist: Nix/Nix/Scheiße
Das hat alles keine logisch nachvollziehbaren Gründe, stimmt bestimmt auch nicht so absolut, aber jedem, der mir das Gegenteil von Nix/Nix/Scheiße vermitteln will – glaube ich prinzipiell erstmal nicht.
Ich misstraue. Den Menschen, und meinem Leben.
Dass das totaler Unfug ist – ja, das kann ich beim Schreiben dieser Zeilen auch so sehen.
Reden und Komplimente helfen leider nicht. All ihr Menschen da draußen könnt mit uns reden, so viel ihr mögt. Es hilft selten bis nie. Es hilft leider echt nur zeigen. Über die Zeit.
Nein, Quatsch, nicht einmal zeigen hilft. Bemerken. Das hilft.
Wenn es sich irgendwie einrichten ließe, dass die Welt sich so verhielte, dass man selbst bemerkt, dass man eben kein vorzugsfreier Klumpen Biomasse ist – dit wär ma ne dufte Nummer.
Macht die Welt aber leider nunmal nicht. Is auch nicht ihre Aufgabe. Das darf sich die Welt mal schön hinter die Ohren schreiben. Es liegt nicht an ihr, mir oder anderen Menschen mit Depressionen und geringem Selbstwertgefühl zu vermitteln, dass wir all das Gute, was uns widerfährt, bestimmt auch zum großen Teil redlich verdient haben.
Da darf man mal schön selber ran.
Jeder kann dafür seinen ganz persönlichen Trick finden.
Meiner ist ein kleines Mantra, welches ich in den Momenten des absoluten Unglaubens, ob und vor allem WARUM ich eine bestimmte Sache nun auch wirklich verdient habe, still in der tiefen, überzeugten Stimme meines Kumpels Torsten vor mich hindenke.
„Weil ich Tobi Katze bin.“
Das funktioniert erstaunlich gut. Und der Rest der Welt ist raus aus der Verantwortung, dafür zu sorgen, dass ich mich gut mit mir fühle.
Denn bisher glaube ich leider keinem so sehr – und so wenig – wie mir selbst.