Da kommst du zurück, bist völlig totgearbeitet von zwei nervenaufreibenden Wettbewerbstagen – und dann sollst du dir frei nehmen. Ich habe herzlich gelacht.
Wie nimmt man sich eigentlich „frei“, wenn man gar nicht „frei“ ist?

Freizeit erfordert für mich Planung und Disziplin. Weil ich bescheuert bin.

Tagesablauf:
Morgens stressgeschwächt mit Fieber und geschwollenem Hals aufwachen.

Fertig. Tadaa.

Das passiert mir häufiger nach psychischen Belastungsphasen. Ich habe am Wochenende einen Kabarettpreis gewonnen – was ne ziemlich coole Sache ist – aber der Weg dahin hat mich an meine Grenzen gebracht.
Nein.
Eigentlich war ich das alleine.

Du musst hier alles geben – und wirst trotzdem verlieren. Das ist doch klar.
Diesen Gedankengang dann alle 10 Sekunden.

Das war mein Wochenende. Hat sich angefühlt wie drei Jahre, in denen ich jeden Tag einen Marathon laufen durfte. Oder auch zwei. Psychischer Stress ist für mich auch immer körperlicher Stress, und der macht doof und laugt aus. Die permanente Konfrontation mit der fast schon sicheren Option des Scheiterns lässt mich jeden denkbaren Misserfolg durchleben, bevor er überhaupt eintritt. Mehrmals. Brot und Gedankenspiele – und am Ende immer der mentale Daumen nach unten. Dass die Realität dann eventuell anders aussieht und man tatsächlich mal Erfolg hat – unerheblich. Im Kopf habe ich 48 Stunden des grandiosesten Scheiterns hinter mir, welches sich ein Verstand so auszumalen vermag.

Die Wirklichkeit verliert 1: 475. Das ist ein Schätzwert.

Nach sowas brauche ich Ruhe. Mein Körper teilt mir das mit, indem er schlicht und ergreifend krank wird. Würde ich auf meinen Körper hören, wäre der Artikel hier zu Ende.
Langweilig. Mein nach Erholung schreiender Körper ist kein Warnsignal. Er ist eine Mauer, die es zu überwinden gilt.

Wenn ich krank werde – ist das schwach. Und ich will stark sein.

Mein Wille zur Stärke ist manchmal das größte Hindernis in meinem Leben, da er mich gefangen halten kann. Ich fühle mich doppelt und dreifach herausgefordert, da mich meine Depression schon in genug Löcher wirft. Der Anspruch an mich selbst, in Phasen ohne Lethargie auch wirklich was geschissen zu bekommen – ist eines der besten Sprungbretter in genau eben diese Löcher. Ich gebe mir selbst nicht die Erlaubnis, frei zu sein. Das wäre freie Zeit, nutzbare Zeit, der verschwendet wäre.
F r e i z e i t v e r s c h w e n d u n g . Und das hat nichts mit Freizeit zu tun.

Muss mich von Anderen überreden lassen, einen Job auszuschlagen, oder, schlimmer noch, abzusagen. Das ist ja, als würde ich Geld aus dem Fenster werfen. Das Gespenst der Depression und der damit drohenden Unfähigkeit, aufzustehen – macht freie Zeit zu einer gefürchteten Instanz der Ressourcenverschwendung.

Ich musste – und muss teilweise immer noch – mir erlauben, sogenannte Downtime als essentiellen Teil meines Lebens zu begreifen – also Zeit, die ich, im Gegensatz zu lethargischen Phasen, ganz bewusst untätig oder zumindest nicht „klassisch“ produktiv verbringe.

Sich liegen lassen. Einfach so.

Zu begreifen, dass Ruhephasen vielleicht nicht erst bei körperlichen Symptomen, aber vielleicht spätestens da nötig sind – und erst Recht nichts mit „Schwäche“ zu tun haben – hat mich gute 32 Jahre meines Lebens gekostet.
Vorher habe ich mein lethargisches Rumgeliege mit Freizeit und Erholung verwechselt – da ich da schließlich nicht arbeitete. Jetzt gerade erst lerne ich, dass sich mein Leben eben nicht in den klassischen Gegensatz von Arbeit und Freizeit aufteilen lässt, sondern in ein grauzonendurchsetztes Arbeit-depressive Phasen-Freizeit-Misch-Gedengel.

Oder, in kurz: Es gibt einen fundamentalen Unterschied zwischen „liegen bleiben“ und „sich liegen bleiben lassen“. Nur bei Zweiterem kann freie Zeit dann auch zu Freizeit werden.

Und damit ist für heute Abend, da ich diesen Artikel schreibe, nach langer Zeit mal wieder so richtig, ernsthaft, for realz – Feierabend.
Geile Sache.

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