Ich liebe schlechtes Wetter.
Das ist jetzt nicht so ein total abgenudelter weil-ich-traurig-bin-mag-ich-graue-Wolken-Mist, sonder erst einmal ne Feststellung. Was viele Menschen ja scheinbar nicht verstehen, ist die Tatsache, dass solcher Art Vorlieben eben nicht zwangsläufig ein sich-hingezogen-zu, sondern durchaus auch ein abgestoßen-von ausdrücken können.
Ist jetzt nicht so, dass ich Sonnenschein verachte und spontan in Tränen ausbreche, wenn der Sommer ausbricht – aber so etwas in der Art.
Warum ich Sonnenwetter mag
Hey, die Sonne scheint! Was soll man da groß erklären? Wärme, sanft haucht ein leichter Wind über die nackten Arme, man sitzt mit Freunden draußen, grillt, trinkt ein eiskaltes Bier, spielt Gitarre, singt, lacht, erfreut sich am Leben und an der knisternden Stimmung, welche so ein fremder, wohlgeformt in der Sonne lachender Körper der jeweils passenden Sexualpräferenz nunmal hervorruft. Kurzum: Cooles Leben. So, wie das sein soll eben.
Warum ich Sonnenwetter nicht mag
Siehe oben. Nur bin ich eben in meiner Bude verwachsen, traue mich nicht, hinauszugehen, weil es zu anstrengend ist, das Leben zu genießen. Und dann habe ich viel zu wenige Freunde, und die antworten auch nicht auf meine Kontaktversuche, und generell erinnert einen dieses euphorisch detonierende Leben da draußen vor allem an den Blindgänger, als welchen man das eigene Dasein betrachtet. Und So sitzt man und rätselt, ob es nicht vielleicht doch klug wäre, rauszugehen, Menschen zu treffen. Ob man nicht, zwischen all der Überwindung und Anstrengung, ob man da nicht doch vielleicht irgendwo auf ein kleines Fünkchen Liebe treffen könnte, welches dann doch alles entzündet und Herz und Seele brennen lassen könnte, und wo man dafür am besten hinginge, und wie viel schöner das doch wäre, wenn man das einfach so könnte, statt vorher so lange nachdenken und sich prügeln zu müssen – und ungefähr genau dann geht die Sonne unter. Ungefähr dann hat man den ganzen Tag auf der Couch verbracht, gerätselt und gehasst, dass man keine Freude darin finden kann.
Von draußen wabert Gelächter und ausgelassene Lebensfreude durch die leider nicht schalldichten Fenster.
Depressionen haben und neben einem Freibad wohnen muss die schlimmste Hölle sein.
Aber auch via Facebook, dort, wohin man sich verkriecht, in den sozialen Schutzraum mit Notausgang aus jeder Forderungssituation, auch dort ballern sie einem allesamt ihre ich-esse-Eis/bin-am-See/geiles-Wetter-Kotze immer wieder um die Ohren und direkt dahin, wo es weh tut – in dein Bewusstsein. Es ist gutes Wetter. Das muss man genießen.
Muss man genießen? Muss ich?
Ich will – aber ich kann nicht. Ich kann beim besten Willen nicht, und ich fühle mich schlecht deswegen. Weil ich nicht dazu gehöre, weil diese offensive Lebensfreude mir so hundertmal mehr vor Augen hält, dass ich all das grad nicht bin, dass mein Herz kaum schlägt.
Und dann will ich die Fenster zumauern und auf Regen hoffen. Weil ich wütend bin, so unfassbar wütend auf den Spaß und das Leben und auf mich. Und das soll alles gefälligst draußen bleiben, so es denn unbedingt ohne mich stattfinden muss.
Ich könnte heulen. Wegen Sonne. Vielleicht ist an dem Wort „verrückt“ ja doch irgendwie was dran.
Bei schlechtem Wetter allerdings – geht es allen ähnlich. Das Leben erlahmt, kommt zum Stillstand. Man murmelt sich ein, hält Winterschlaf. Das Leben ist nicht offensichtlich, findet hinter verschlossenen Türen statt. Springt mir nicht ins Gesicht. Man muss nichts genießen.
Darf, wie alle anderen auch, fluchen und gedrückt sein.
Wenn das Wetter schlecht ist – mache ich mir keine Vorwürfe, weil ich nicht rausgehe.
Wenn das Wetter schlecht ist – fühle ich mich wohl.
Weil ich mich nicht ausgeschlossen fühle, von mir und der Welt und dem Leben.
Weil ich dann einer von Vielen bin.
Es ist schon krass. Immer dieses müssen. Man muss genießen.
Das ist Kappes.
Man muss nicht. Aber man kann. Und das ist irgendwie ne Vorstellung, die sich fast so gut anfühlt wie ein wolkenverhangener Sonntagmorgen, an dem ich gemütlich zu Haus bleiben darf, so wie alle anderen auch.