Ist mir noch zu helfen? Das frage ich mich auch manchmal.
Ne andere, auch extrem fluffige Frage ist ja: Sollte man mir helfen?
Das ist tricky, denn es berührt einen ganz sensiblen Punkt, an dem ich derzeit auch stehe: Wie viel Krankheit will ich sein?

Depressionen sind eine Sache, in die man sich wirklich ganz schön toll reinfallen lassen kann. Letztens schrieb ich dazu folgenden Absatz:

„…und dann ertappe ich mich dabei, an früher zu denken. Wie ich traurig und darin geborgen war, haltlose Möglichkeiten abzurutschen, taumeln zwischen unbestimmt und vollkommen untragbar. Für mich selbst und andere, ein Stein, der nur bergab zu rollen im Stande ist. Das war ein vertrautes Gefühl. Nach allem und jedem die Hände chancenlos ausstrecken zu können mit der Gewissheit, wieder den Kitzel des möglichen Nicht-Scheiterns zu spüren. Aber immer das wohltuende Netz der letztendlichen Niederlage unter mir wissend, welches mich auffangen würde. Sich selbst nichts Gutes zu wollen ist ein weiches Kissen, in welches sich vorzüglich fallen lässt aus den Stratosphärenhöhen die man mit dieser Sicherheit im Rücken erreichen kann.
Wenn Fallen dazu gehört.“

Was ich damit sagen will, ist Folgendes:

Man hat die Wahl. Nicht, wie man sich fühlt. Aber als was man sich fühlt.

Da ich mich derzeit, auch durch dieses Blog, sehr eingehend mit meiner Krankheit beschäftige und diese Erkenntnisse auch nach außen trage, stehe ich immer wieder recht klar vor einer Entscheidung, die jeder Betroffene in Regelmäßigkeit zu treffen hat, die aber manchmal nicht als solche erkannt wird. Wer will ich sein?

Will ich Tobi sein, will ich der depressive Tobi sein, will ich Tobi sein, der Depressionen hat?
Diese Entscheidung hat jeder für sich selbst zu treffen, in wie weit einen so eine Krankheit in den Augen anderer Menschen zu definieren hat. Ob das alles so funktioniert ist eine andere Sache, klar, aber man kann ja mal versuchen, die grobe Richtung vorzugeben.
Und hier kommt die berühmte Hilfe ins Spiel.

Häufig überfordern mich Dinge. Ich selbst zuallererst. Dann will ich schreien vor Unsicherheit, die Augen schließen und wieder sieben Jahre sein, keine Verantwortung haben, von jedem geliebt werden müssen. Das läuft nicht. Ist klar.
Ich bin überfordert mit meinem Anspruch an mich selbst, selbstständig leben zu können. Ohne Einschränkungen. Ohne Angst, wenn ich zu einem Geschäftsessen eingeladen werde.
Ich möchte alleine mit meinen Verlustängsten umgehen können, ohne den stetigen Gedanken hinten in meinem Kopf, dass gleich doch mal irgendetwas ganz schön schlimmes passieren müsste, dass alle eigentlich nur darauf warten, mich zu enttäuschen und mir weh zu tun.

Geistig völlig intakte Menschen können das scheinbar. Ihr krassen Dudes und Dudettes.
Bei mir ist das Kohlensäure. Ein endloser Vorrat davon. Es kribbelt und kribbelt, und der Druck wird immer stärker, und wenn ich nicht das Ventil aufdrehe, wird der Druck irgendwann zu stark und ich explodiere. Diese Explosionen sehen bei mir so aus, dass ich den Bezug zu meiner Wirklichkeit verliere. In meinem Kopf sind Dinge längst geschehen, die nur als Gedankenkonstrukt existieren. Das Wort „Kopfkino“ ist a) extrem blöd und dumm und b) wirklich nur eine Annäherung an das, was da geschieht. Ich stelle mir Dinge nicht vor.
Sie sind bereits geschehen. Da bin ich felsenfest überzeugt.
Um diesen Druck abzubauen – muss ich meine Ängste kommunizieren. Man muss mit mir darüber sprechen. Das hilft. Und ist ein total guter Tipp, auf den bestimmt bisher noch kaum einer von euch gekommen ist.
Das Problem daran ist – wenn man drüber spricht, wird es präsent im Leben des Gegenübers.
Es formt die Wahrnehmung von euch. Das ist nicht schlimm. Und auch kein Gebot, zu schweigen. Um Gottes Willen.
Ab da kommt es, zumindest in meinem Fall, darauf an, wie ich weiter damit umgehe, und vor allem wie ich kommuniziere. Meine Partnerin, die ja durchaus geschmeidige Gedanken ihr eigen nennt, hat ganz am Anfang dieses Blogs eines klargestellt: Sie möchte nicht die Frau an der Seite eines Depressiven sein. Wie sie das meint, das erschließt sich vielleicht am ehesten, wenn man sie kennt, daher erkläre ich das kurz, indem ich es umformuliere: Sie möchte nicht meine Krankenschwester und Therapeutin sein. Sondern lediglich meine Partnerin.
Eine Depression hat in einer Partnerschaft nichts zu suchen, sozusagen.
Darin haben nur die Menschen etwas zu suchen. Und Menschen werden von Krankheiten beeinflusst und zu dem, was sie sind. Ganz klar. Die Einflüsse einer Krankheit, klar, die sind Teil der Beziehung, da sie den Menschen formen. Aber die Krankheit selbst, die kann mal schön draußen bleiben.
Dafür habe ich andere Menschen. Meinen Therapeuten, zum Beispiel.

Ich hoffe, es ist klar, was ich sagen will:

Ich habe nicht die Wahl, diese Krankheit zu haben.
Aber ich habe die Wahl, wie weit ich sie wirklich auslebe.

Sie wird mich beeinflussen, immer, ganz klar. Da geht es auch nicht drum.
Aber mich verlieren in meinem Schicksal, Depressionen zu haben, das will und werde ich nicht. Es ist eine Entscheidungsfrage.
Nicht, ob es schlimm ist. Nicht, wie sich die Krankheit anfühlt. Nicht, wie weit sie jeden Aspekt des Lebens berührt.
Aber wie sehr ich dieser Krankheit gestatten will, ich zu sein.
Verliere ich mich in Wahnvorstellungen – oder nehme ich das Hilfsangebot meiner Partnerin an, die in den schlimmen Momenten sagt „Hömma, du bist wieder so drauf.“ – und mir damit die Möglichkeit gibt, meine depressiven Phasen als Symptom, aber eben nicht als mich selbst zu begreifen.

Wer will ich sein?

Ein depressiver Mann – oder ein eigentlich positiver Mensch, der sich leider häufig von depressiven Gedanken übermannen lässt?
Is ne Kopfsache, die nach außen hin wenig ändert.
Nur die Einstellung zu sich selbst.
Und letztlich zählt auch echt nur die.

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