Während ich diesen Beitrag schreibe läuft „Dreads“ von Guilty Simpson im Hintergrund. Eigentlich ´ne völlig irrelevante Info. Relevant wird es eigentlich erst durch die Tatsache, dass ich vorher ne halbe Stunde mit mir gerungen habe, ob es nicht vielleicht doch lieber „Excellent“ von Blackalicious sein sollte. Wenn ich einem wirklich nicht gut bin – sind das Entscheidungen.

Nachdem ich diesen Absatz da oben schrieb wurde es dann doch Blackalicious. Aber darum soll´s echt nicht gehen. Sondern um diesen elendigen Zwiespalt in mir, dass eine Entscheidung zwar prinzipiell Sachen immer voran bringt – man sich aber bei jeder Entscheidung nicht nur für etwas – sondern eben auch gegen etwas entscheidet. Und vielleicht war das, gegen das man sich entschieden hat ja viel besser. Vielleicht. Haha. Natürlich war es viel besser. Sagt mein Kopf.

Ich lebe in Optionen

In Optionen lassen sich keine Fehler begehen, sie lassen keine Wertung zu. In Optionen kann ich nichts verkehrt machen. So lange es bei den Optionen bleibt – kann ich nicht Schuld sein.
Optionen sind sehr harmlos, denn sie bergen keine Verantwortung. Entscheider tragen Verantwortung, und so jemand kann ich häufig nicht sein.

„Chef, wir brauchen mal kurz ne Entscheidung: Biotechnologie oder Küchengeräte – in welche Richtung soll die Firma gehen?“
„Puh, ja, hm, beides gut. Können wir nicht beides machen?“
„Nein.“
„Schade.“

Das ist die Tragweite, die jede Entscheidung hat. Auch, wenn ich mir nur ne Beilage aussuchen muss.

„Möhren? Biste sicher?“
„Ja, doch. Oder?“
„Naja, du könntest auch Erbsen machen.“
„Boah, stimmt. Auch gut. Dann Erbsen.“
„Erbsen? Biste sicher?“
„Stimmt. Möhren wären auch gut.“
„Erbsen aber auch.“
„Scheiße, ich werd wahnsinnig. Ich will sowas nicht entscheiden müssen.“

Ich kann solche Spiele ad infinitum weiterspielen. Gar kein Problem. Denn Entscheidungen sagen etwas über mich. Bestimmen mich. Gut, die Unfähigkeit, Entscheidungen zu treffen sagt viel mehr über mich, geb ich zu, aber die ist in meinem Kopf ja überhaupt nicht relevant. Bin ich einmal festgenagelt auf so eine Entscheidung, kann ich mich nur schwer davon lösen. Ich bin, sagen wir es mal vorsichtig, geistig etwas unbeweglich derzeit.
Um mal bei den Möhren zu bleiben – wenn ich mich für die entschiede – und es wäre an Möhren grad kein rankommen – würde das Mittagessen wohl ausfallen. Weil ich, frustriert darüber, natürlich die falsche Wahl getroffen zu haben, mich einfach ins Bett legte um gründlich darüber nachzusinnen, warum ich Idiot denn immer die falschen Entscheidungen treffe. Immer.

Ich treffe IMMER die falsche Wahl.

Das liegt in der Natur der Sache. Denn eine Wahl wird real. Ich erkenne Makel daran, Fehler.
Selbst wenn es Möhren gibt – schmecken die mir vielleicht etwas zu süß. Das wäre bei den Erbsen NIE passiert. Kann ich nicht wissen. Is deshalb so. Das Gras ist immer grüner auf der anderen Seite, sagt man ja so schön. Ist natürlich auch was dran. Weil man die eigene Seite ziemlich gut kennt und in den ausgeschiedenen Optionen noch all die Idealisierungen schweben, die bei der konkreten Wahl längst verpufft sind.

Jeder Mensch kennt das. Bei mir mit meiner Depression wird es dadurch fies, dass sie mir die Schuld für die Fehler der Dinge zuschiebt. So habe ich jeden Tag tausende Variablen zu berücksichtigen, welcher Song ist jetzt der beste für die gute Laune, welches Messer nehme ich für die Tomaten, will ich mit meiner Freundin lieber wandern oder woanders wandern?

Entscheidungen überfordern mich.

Denn: ich will es ja auch anderen recht machen. Dass man MIR nun wirklich die Wahl überlässt – wirkt wie eine Illusion auf mich. Die Illusion einer Wahl, ein soziales Experiment.

Wird sich Tobi Katze für das RICHTIGE entscheiden? Die große Auflösung, gleich nach der Werbung. Bleiben sie dran!

Und das ist mir einfach zu stressig. Ich bin auf dem Präsentierteller, wenn ich mich entscheiden soll. Fühle mich vorgeführt, oder zumindest unter Druck, die korrekte Wahl zu treffen – auch wenn es völlig gleichwertige Alternativen sind. Dann springe ich hin und her, wie ein Flipperball, gefangen in einem endlosen Dialog mit Louis des Funès.
„Nein“ „Doch“ „Ooooh“
Und das will ja keiner. Wirklich nicht.
Was also tun?

Ich werfe Münzen.

Keine wirklichen Münzen natürlich. Was für eine sollte ich da nehmen? 2 Euro? 1 Euro? 50 Cent? Wüsste ich nicht. Nein, ich werfe Münzen im Kopf, wenn ich nicht weiter weiß. Visualisiere beide Möglichkeiten die sich drehen und fliegen, und irgendwann denke ich mir die Schwerkraft, und dann fällt die Münze und bleibt auf einer Seite liegen. Das ist dann die Entscheidung. Und die habe nicht ich getroffen. Nein nein nein. Das war das Schicksal.

Und mit Schicksal – mit Schicksal, da kann ich hervorragend umgehen.
Auch wenn ich weiß, dass das alles völliger, völliger Unsinn ist.
Das hab ich mit Louis des Funès gemein. Also, neben diesem Dialog, versteht sich.

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