Immer wieder lese ich Listen mit „9 Dingen, die sie nicht tun oder sagen sollten wenn jemand depressiv ist“ – klingt für mich ´n bisschen wie „12 Dinge, die sie vermeiden sollten, wenn sie eines sehr kuriosen Morgens im Magen einer Würgeschlange erwachen“.
Das sind beides bestimmt supi-dupi Ratgeber, aber beide umgeben den jeweiligen Tatbestand auch mit einer Aura des Außergewöhnlichen, des Unbekannten.
Als müsse man im Umgang mit einem Depressiven ganz bestimmte Handlungsanweisungen überziehen wie Atemmaske und Handschuhe. Anstatt das…naja, nicht zu tun und einfach n paar Dinge im Kopf zu haben.

Also, eigentlich muss man nur eines im Kopf haben:

Alles, was ich tue – tue ich nicht, weil ich unehrlich, faul oder ein Arschloch bin. Echt.

Wer das verinnerlichen kann – darf hier schon aufhören zu lesen.

Ist aber vielleicht ein bisschen umfassend, so für auf-einmal. Also schrittweise.
Ernstgenommen werden, zum Beispiel. Fühlt sich super an. Wenn du mir das Gefühl gibst, dass für dich meine Depression jetzt nicht „eine Frage der Einstellung“ sondern eben ´ne Krankheit ist – hast du schon gewonnen. Alles danach – sind nur Kirschen auf dem Kuchen, der mein Leben gerne wäre, leider aber grad nicht ist.

Diese Sache mit der Ermutigung. Auch sehr gut. Eigentlich das, was ich hier gerade mit dir versuche. Nur anders rum. Es ist völlig okay, bei mir wie bei jedem anderen Menschen, im Umgang einfach mal hart in die Scheiße zu greifen. Ich werd´s dir nicht krumm nehmen. Mach Fehler. Ich werde garantiert mehr machen. Irgendwann werden wir beide feststellen, dass diese berühmten Fehler meist passieren, wenn man das Verhalten anderer Menschen mit der eigenen Ratio und Leidenschaft zu erklären versucht.

Du bist ein energiegeladener Teufelskerl. Wenn es dir schlecht geht – gehst du joggen.
Ich…nicht. Ich bin bleischwer an mein Bett gefesselt. Du verstehst mich nicht. Ich verstehe dich nicht. Betrachtest du mich, beziehungsweise mein Verhalten, durch die Maßstäbe, die du an dich selbst legst – muss ich dir unfassbar faul und selbstmitleidig vorkommen. Aber, keine Sorge. Nach meinen Maßstäben halte ich dein Verhalten für eine übermenschlich arrogante Anstrengung, die du nur unternimmst um mir zu demonstrieren, dass ich schwach bin.

Beides nicht fair, beides unwahr. Verstehste langsam, worauf ich hinauswill? Gut.

Empathie ist echt kein Hexenwerk.

Das gilt für mich und für dich. Ich muss begreifen, dass meine Krankheit den Menschen um mich herum Energie raubt. Ich muss lernen, welchen Scheiß ich allein bewältigen kann und sollte. Und welchen nicht.
Deine Empathie kann sich auf einen einzigen Satz beschränken.

„Na, dann ist es eben so.“

Wenn du den so meinen kannst, wie du ihn sagst – werden wir beide frei von Wut und Schuldgefühlen sein.
Wenn du weißt, wann dieser Satz nicht zutrifft und ich einfach einen Tritt in den Arsch brauche – wirst du mich staunend aufstehen und dankbar sehen

Ganz wichtig: Lass dir von mir nicht auf der Nase rumtanzen. Eine Krankheit ist keine Entschuldigung, ein Arschloch zu sein.

Achja, noch wichtiger: Bitte behandle mich nicht wie ein rohes Ei. Rücksicht ist cool, aber im berühmten Übermaß komme ich mir hilf- und nutzlos vor. Lass mich erfahren, dass ich Dinge erledigen und wegstecken kann. Lass mich um Hilfe bitten, statt sie ungefragt zu bekommen.

Ich liebe es, wenn du mich auf die Tür drei Meter weiter rechts hinweist, die, durch die alle anderen auch gehen – statt direkt vor mir ein Loch in die Wand zu kloppen. Das ist sicherlich eindrucksvoll, bringt aber keinem was.

Was ich mit all dem eigentlich nur sagen will: Nimm mich einfach ernst. Und vertrau mir, dass ich weder unehrlich, faul noch ein Arschloch bin.
Ich bin nur nicht wie du.

Und das ist die eine Sache, die du wissen musst, wenn du mit einem Depressiven zu tun hast.
Ob dir das allerdings im Magen einer Würgeschlange weiterhilft – sorry, kann ich dir nicht sagen. Wenn ich ´n Link zum entsprechenden Blog darüber finde – lasse ich ihn dir zukommen. Versprochen.

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